Aus den Treffen der Leipziger Agilisten ging die erste Leipziger agile Konferenz hervor. Am Sonnabend (24.9.2016) war es dann soweit.
10:00 Eröffnung und Sessionplanung
Nach einem Dialog mit Rolf Irion und Last-Minute-Vorbereitungen mit Jan Fischbach, konnte ich zwei Spiele fĂŒr die Konferenz anbieten.
Nach der Einleitung wurde auf das Warm-up (Massen-Schnick-Schnack-Schnuck) und den Twitter Hashtag hingewiesen. BeitrÀge dazu finden sich hier.
Btw.: Empfehlung des Spiels vom KĂ€nguruh “Halt mal kurz“.
Bei der Sessionplanung fanden sich genug Interessenten fĂŒr meine Spiele. Aus den vielen anderen BeitrĂ€gen hĂ€tte ich gern mehr gehört, meine eigenen Angebote waren mir da aber wichtiger. So ist es eine ausgewogene Mischung aus Angebot und Nachfrage geworden.
11:00 Ubongo Flow Game (UFG)
Jan Fischbach hat das LEGO Flow Game und das Legespiel Ubongo so angepasst, dass damit in einer knappen Stunde zu Tage tritt, dass es weder die beteiligten Menschen, noch die Aufgabe selbst sind, die ĂŒber Erfolg oder Misserfolg in einer vorgegebenen Zeitspanne entscheiden. Die erforderlichen Unterlagen, um das Ubongo Flow Game selbst zu spielen, hat Jan mittlerweile veröffentlicht.
Es werden drei Runden gespielt. 2×3 Minuten im Wasserfall, 2×3 Minuten in Kanban, 3×2 Minuten (2 Anpassungsmöglichkeiten!) in Scrum.
In den RĂ€umlichkeiten des Spinlab gibt es einen Bereich, der durch die groĂen Fenster hell erleuchtet ist und wo das Publikum auf zwei Ebenen teilnehmen konnte. Dadurch ergab sich eine schöne Theater-Situation. Die Akteure (stehend) konnten mit dem Publikum (sitzend; manche fast liegend) entspannt auf Augenhöhe interagieren.
Im Vorgehen nach Wasserfall warteten alle auf den Analysten. Es wurde in der vorgegebenen Zeit kein Ergebnis erzielt.
Als VerbesserungsmaĂnahme entschied das Team der Spieler, einen Manager hinzuzuziehen. Er war sehr “supportive” wie es auf Englisch so schön heiĂt. Doch trotz seines besten Willens wurde sein Anteil eher als Behinderung wahrgenommen. “Der Manager hĂ€lt mich vom Arbeiten ab.”
Als dann die Aufgaben per Kanban gelöst wurden, stellten sich QualitĂ€tsprobleme ein. Die FlĂ€chen waren zwar abgedeckt, jedoch mit beliebigen, gerade passenden Teilen und nicht mit denen in der Aufgabe (Anforderung) spezifizierten. Die Gruppe entschied sich, einen Tester “einzustellen”. In der zweiten HĂ€lfte des Kanban-Durchgangs kam es zu einer Auslieferung, die zwar richtig aussah und formal korrekt umgesetzt wurde, die Auftraggeberin stellte dann aber fest, dass die gelieferte Legekarte nicht die in der Aufgabenkarte geforderte war. Die schon als sicher “done” angenommenen Wertpunkt mussten wieder gestrichen werden.
Den Spielern fiel auf, dass die QS vor der Auslieferung etwas spÀt ist, da bis dahin schon viel Zeit auf die Umsetzung einer Aufgabe verwendet wurde, bei der der Analyst einen Fehler gemacht hatte.
Im dritten Durchlauf wurde nach Scrum gearbeitet. Die Person, die bereits als Manager ihre unterstĂŒtzende Grundhaltung gezeigt hatte, konnte nun tatsĂ€chlich wirksam werden und aktiv an der Lösung mitarbeiten. Die ĂŒbrigen Personen hielten zu ihrer jeweiligen Ăberraschung an den zuvor ĂŒbernommenen Rollen fest. Erst als in der Retro der zweiten (von nun drei) Iterationen dieser Punkt angesprochen wurde, lösten sich die zuvor eingenommenen Rollenmodelle auf. Mit der dritten Iteration wurden nun in 2 Minuten drei Stories fehlerfrei fertig gestellt, nachdem bei allen anderen Vorgehensweisen kein akzeptables Ergebnis geliefert wurde.
In der abschlieĂenden Besprechung (5 Minuten Restzeit des Slots) zeigten sich die Teilnehmer und das Publikum schwer beeindruckt von der Deutlichkeit mit der sie erleben konnten, wie sehr das Vorgehensmodell das Ergebnis der Zusammenarbeit beeinflusst.
12:00 Effectuation, Heiko Bartlog
Eine von zwei Sessions an denen ich im Publikum teilnahm, war der Beitrag ĂŒber “Effectuation” von Heiko Bartlog.
Ich habe dabei gelernt, dass sich Effectuation gegenĂŒber einem Vorgehen nach kausaler Logik darin unterscheidet, wie diese AnsĂ€tze die Zukunft betrachten und mit ihr umgehen.
Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass Effectuation die Zukunft als ungewiss aber gestaltbar anhand von Möglichkeiten betrachtet. Ein Vorgehen nach kausaler Logik nimmt an, dass die Folge einer Handlung zwingend zu einem vorherbestimmbaren Ergebnis fĂŒhren wird. Sobald ich also die “richtige” Ursache gesetzt habe, ergibt sich daraus ein zwangslĂ€ufiges Ergebnis. In etwa “wenn ich nur genug Werbung mache, dann verkauft sich mein Produkt”.
Erfolgreiche (Mehrfach-)GrĂŒnder verwenden weniger Aufwand auf das Schaffen einer angenommenen Ursache-Wirkung-Beziehung. Sie konzentrieren sich auf Ihr Mittel-Portfolio, entscheiden sich, eines oder mehrere der verfĂŒgbaren Mittel (Geld, Wissen, persönliche Beziehungen, Materie) einzusetzen und verfolgen den Handlungsstrang weiter, der dabei entsteht.
Scrum ist dabei auf der Umsetzungsseite eine ideale ErgĂ€nzung gegenĂŒber dem Rahmen, den Effectuation schafft.
Mir hat der Beitrag von Heiko geholfen, meine bisherigen Erkenntnisse, Ăberzeugungen und Ahnungen in seinen Darstellungen wiederzufinden und sie dadurch als ausdrĂŒckbar zu erleben. Ich bin Heiko dafĂŒr sehr dankbar. GroĂer Wert. 5 Finger. đ
14:00 “Everyday Agile” (EA) â die Essenz von Zusammenarbeit erlebbar machen
Nach der Mittagspause kam mein zweiter Spielbeitrag an die Reihe. Es wurde wieder an derselben Stelle (“Theatersituation”) gespielt.
Es stellte sich heraus, dass die Location fĂŒr dieses Spiel weniger gut geeignet war. Bei EA gibt es weniger zu sehen als bei UFG. DafĂŒr kommt es etwas mehr auf die Koordination der Beteiligten ĂŒber Kommunikation an. Das hat u.a. etwas mit Gestik, Mimik und Positionierung zueinander zu tun. Ganz wesentlich hat es aber mit der Verstehbarkeit von Sprache zu tun. Die Spieler rĂŒckten eng zusammen, damit sie besser kommunizieren konnten. Das fĂŒhrte aber dazu, dass die Zuschauer kaum noch etwas mitbekamen. Sie konnten wenig sehen und nichts mehr hören.
Ich griff ein und bat die Spieler sich offener zu stellen und lauter zu sprechen. Dennoch fĂŒhrten die StörgerĂ€usche der anderen Sessions und die recht schlechte Akustik der Location dazu, dass das Publikum abgelenkt wurde, weniger teilhaben konnte und sich in der Folge mehr miteinander als mit dem Dargestellten beschĂ€ftigte. Dadurch verfolgten sie weniger aufmerksam das, was sich vor ihnen bei und zwischen den Spielern ereignete.
Das, was gezeigt werden soll, hat sich trotz aller Widrigkeiten zeigen können. Die Spieler durchdrangen das Gegebene – scheinbar sofort VerstĂ€ndliche. Etwa an der HĂ€lfte des Sprints stellten sie fest, dass jeder von ihnen in die Aufgabe mehr hineininterpretiert hatte als wirklich da war. FĂŒr das Angenommene fanden sich keine belastbaren Quellen und so stellte sich heraus, dass die Teilnehmer durch Ăberinterpretation alle ein eigenes Bild von der vermeintlichen Aufgabe hatten. Nun war der PO gefragt, das Bild zu schĂ€rfen, die Richtung zu bestimmen und inhaltliche Richtung zu weisen.
Aufgrund der sehr festen Zeiten auf dem Barcamp hatte ich zuvor eine “Personalauswahl” getroffen. Ich hatte auf strenge Freiwilligkeit (wer mitmachen will tut es) verzichtet und eine geleitete Freiwilligkeit eingesetzt. Ich stellte mir eine Gruppe von “Freiwilligen” aus jung, alt, erfahren und unerfahren, Mann und Frau zusammen. Ich hĂ€tte gern mehr als eine Frau bei den Spielern gehabt. Letztlich war aber mit dem VerhĂ€ltnis 1:4 genau das VerhĂ€ltnis der Barcamp-Teilnehmer wiedergegeben. Als PO wĂ€hlte ich die Person aus, die sich als PO im “wirklichen Leben” zu erkennen gab. Dadurch sparte ich mir die Reibungsverluste, die durch ErklĂ€ren des Spiels, der Rollen und der damit verbundenen Aufgaben ĂŒblicherweise auftreten. Das sollte sich spĂ€ter auszahlen, denn fĂŒr Review und Retro zusammen bleiben am Ende nur noch 5 Minuten (was zu wenig ist â je 5 Min. sollten es mindestens sein).
Am Ende wurden zwei Lösungen ernsthaft bewertet, nachdem mehrere andere ausschieden. Es kam zu einem Gleichstand von jeweils 22 Punkten fĂŒr jede Variante. Anstatt sich fĂŒr das Bewerten einer weiteren Dimension wie bspw. Ă€uĂeres Ansehen (“Reputation”) zu entscheiden, haben die Spieler entschieden, nach dem BauchgefĂŒhl fĂŒr eine Lösung zu stimmen. Ging schnell. Kann man so machen âŠ
Letztendlich ist zu Tage getreten, was sichtbar werden soll.
- Der erste Einfall ist nie die beste Lösung, aber ein notwendiger Schritt in diese Richtung
- FĂŒhrung ist gut – Dominanz einzelner Personen geht aber zu Lasten einer ausbalancierten Lösung
- Wenn die Zeit drÀngt ist eine Entscheidung leichter zu bekommen.
Allerdings ist das dann oft nur “scheinbarer Konsens”. - Es gibt nur wenige, die Zeitdruck zugunsten von LösungsqualitĂ€t widerstehen können.
- Frage nach dem Weg, wenn Du zweifelst, ob Du richtigliegst.
Direkt im Anschluss folgte der nÀchste Session-Block. Leider habe ich es dadurch versÀumt wenigstens Fotos von der Location und den Flipcharts zu machen. Aber vielleicht finden sich ja noch ein paar Bilder per eMail in den nÀchsten Tagen. J
15:00 Conrad Giller
Es gab einen Session-Titel. Ich habe ihn mir aber weder gemerkt noch irgendwie fotografiert. Es war irgendetwas mit Kommunikation und Teambuilding. Das reichte fĂŒr mich, um teilzunehmen.
Der Vortrag von Conrad hat dann das abgerundet, was ich in den vergangenen Jahren gehört, gelesen und selbst erfahren habe. Neben viel BestĂ€tigung, Verfeinerung und weiterfĂŒhrenden Stichworten, habe ich zwei ganz wesentliche Dinge mitgenommen.
- “Niemand kĂ€mpft gegen etwas â alle kĂ€mpfen nur fĂŒr etwas”.
Die Kunst besteht nun darin, das gemeinsame “FĂŒr” herauszuarbeiten. Das möglicherweise Konflikt erzeugende “FĂŒr” der anderen sollte möglichst bekannt sein und in jedem Fall berĂŒcksichtigt werden. - “In der Storming-Phase geht es nicht um Inhalte”.
Wenn es darum geht, andere Team-Mitglieder kennenzulernen ist es wenig hilfreich, bereits sachliche Projektinhalte zu bearbeiten. Es kann sein, dass Sach-Ergebnisse aus dieser Sozialisierungsphase zu stark durch ausgetragene Rang-KĂ€mpfe beeinflusst sind und damit als Lösung fĂŒr andere nicht mehr zu gebrauchen sind. Erst wenn ein Team gemeinsam in die Performing-Phase eingetreten ist, sollte es mit Sachaufgaben konfrontiert werden. Die Zeit, die man “vorne” verliert, zahlt sich jedoch 1000-fach (sagt Conrad) wieder aus. Es verhindert, dass unbewĂ€ltigte Konflikte mitgeschleppt werden, dauerhaft und immer wieder das Arbeitsergebnis der Gruppe beeintrĂ€chtigen.
Auch wieder groĂer Wert. 5 Finger. đ
17:00 Reiten in den Sonnenuntergang
Es folgte die Kaffeepause und damit die Gelegenheit, das Erlebte zu verarbeiten, Kontakte zu vertiefen, sich auszutauschen. Eigentlich wollte den fĂŒnften Session-Block auslassen und zĂŒgig nach Hause zur Familie. TatsĂ€chlich wurde noch fast eine Stunde daraus, bevor ich tatsĂ€chlich das GelĂ€nde verlieĂ.
Mein groĂer Dank gilt den Organisatoren und HilfskrĂ€ften der Veranstaltung und den ĂŒbrigen Teilnehmern. Ohne Publikum nĂŒtzen die besten Sprecher und die tollste Orga nichts â das Ganze zĂ€hlt. Ihr wart alle toll!
Ein toller Tag mit enormer Bereicherung ging zu Ende. Ich will mehr davon. Nicht erst in einem Jahr wieder âŠ
DafĂŒr gibt es ja die nĂ€chsten agiLE Meetups bis dahin.
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