Was mir da passiert ist glaubt doch keiner.
Ich allerdings sehe darin eine weitere Bestätigung für meine Überzeugung.
Es gibt keine Zufälle.
/Ort und Zeit
Das Ende des zweiten Arbeitstages nach unserer Rückkehr aus dem Urlaub durfte ich auf der stehenden Welle ausklingen lassen. Die Mutter meiner Kinder bucht diese Termine für mich. Das hat den großen Vorteil, dass ich meine Terminwünsche nicht mit den übrigen familiären Verpflichtungen , also mit ihr, abstimmen muss.
/chronologischer Ablauf
Das Außenthermometer des T5 maß 35°C. Innen war es nach dem Start aus der Tiefgarage angenehm. Die Klimaautomatik stand auf dem Höchstwert (26°C) und die Fenster blieben zu.
Anders als im unklimatisierten Büro litt ich nicht mehr unter Kopfschmerz. Das kann auch daran liegen, dass ich in diesen Hundstagen darauf achte, verstärkt salzhaltig zu essen. Butterbrez’n mit Extraportion Salz sollten mich in die Lage versetzen, diese Session gut zu überstehen.
Auf dem Weg zum Parkautomaten am Kanupark prallte ich dann mit voller Wucht gegen die Hitzewand. Immerhin reichte meine Aufmerksamkeit danach noch um einen Gegenstand zu identifizieren, den ich für einen Autoschlüssel hielt.
Was mache ich nun damit?
- Liegen lassen?
- An prominenter Stelle platzieren wie gefundene Mützen und Handschuhe im Winter?
- Wo würde jemand nach seinem verlorenen Schlüssel suchen?
Ich entschied mich für eine Variante, die vermutlich sowohl eine sichere Aufbewahrung als auch gute Erreichbarkeit gewährleistet – ich gab ihn an der Kasse des Kanuparks ab.
Ich löste mein Ticket für die Welle und stellte fest, dass sich nichts verändert hat. Das Wellen-Kolleg war genau so zusammengesetzt wie bei meinem letzten Mal vor dem Urlaub. Das Wakeboarder-Paar war wieder da. Auch Johannes mit seiner Freundin. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich nur noch nicht, dass er Johannes heißt. Auch die drei übrigen Surfer-Dudes kannte ich schon vom letzten Mal.

Genau so wie Leo, unsern Guide, der uns abholte.
Ich hatte mir im Vorfeld überlegt, ob ich wohl ohne Neo in den Kanal steigen werde. Die Temperatur machte es nun wirklich nicht mehr erforderlich. Leo riet mir wegen der Betonwände dringend zum Wetsuit und so lies ich mich von seiner Expertise schnell überzeugen. Es blieb beim Experiment des Surfens ohne Schuhe.
Wir waren zügig vorbereitet und so blieben noch 15 Minuten bis das Becken geflutet wurde und die Welle entstand. Zeit genug, um mit Schwimmhilfe noch gut 10 Minuten im Auslaufbecken “Toter Mann” zu spielen. Erfrischt näherte ich mich dem Einstieg. Ich stellte fest, dass der Kollge mit dem Buster-Hardboard nunmehr mit einem 5′-Softboard in fragwürdigem Design unterwegs war. Es stellte sich heraus, dass nach unserem letzten gemeinsamen Set das Board auf dem Grund aufsetzte und jetzt die Nase komplett abgebrochen war.
Auch Johannes’ 5’0″ Softech Flash Shorty hatte einen merkwürdigen Längsknick in der Oberfläche. Ein schwungvoller Shredd gegen die Mauer war hier die Ursache.
Das war also der Unterschied.
Nach fest kommt ab.
Nach ganz fest kommt ganz ab.
Bisher hatte ich den Spruch nur im Zusammenhang mit festgerosteten Schrauben verwendet.
In Sachsen sagt man auch
De Weech’n schlag’n de Hadd’n.
(Die Weichen schlagen die Harten.)
Im Verlauf der Session lieh er mir sein Board ein Mal. Das genügte, um den festen Entschluss zu fassen, ein eigenes, weiches Shortboard zu erwerben.
Verstärkt wurde der Entschluss durch meine Fortschritte im Kanal. Nach dem ersten Mal Anfänger-Surfen und zwei weiteren Sessions “Profiwellenreiten” war dies nun mein viertes Intermezzo auf dem 6’0″ grün-weißen “Shortboard”, das der Kanupark zur Auwahl bereit hält. Es gibt noch ein paar kürzere, die aber breiter sind. Das ist nun nichts mehr für mich. Mittlerweile brauche ich Agilität.
Die Stabilität entsteht jetzt aus mir heraus und nicht mehr durchs Material.
Leo, unser Guide in diesem Durchgang, hatte wesentlichen Anteil an meinen Fortschritten. Wie schon beim letzten Mal habe ich intensiv um seine Unterstützung gebeten.
Ich bin ja nicht zum Spaß hier – ich will meine Fähigkeiten verbessern.
Der Spaß ensteht dann aus den Möglichkeiten, diese Fähigkeiten einzusetzen.
In diesem Zusammenhang schätze ich die stabilen Bedingungen im Kanupark sehr. Ein variables Element weniger, das ich in meinem Handeln berücksichtigen muss. Die Welle ist immer genau so, wie sie aus dem Wasserdruck und der einstellbaren Rampe für den jeweiligen Durchgang erzeugt wird – beim Anfängersurfen ist sie etwa 1/3 niedriger eingestellt.
Ein weiterer Vorteil ist, dass immer mindestens ein Guide dabei ist. Zwangsläufig haben diese Jungs – gibt es da auch Mädels? – viel mehr Erfahrung als ich es allein haben könnte. Diese Expertise nutze ich gern. Mittlerweile habe sich bereits “Stile” und “Best Practices” der Guides herausgebildet. Der eine zeigt den Einstieg so, der andere so. Was sich am besten vermitteln lässt, was sich am leichtesten Erlernen lässt, setzt sich am Ende durch, weil die Praktik von den übrigen übernommen wird. Evolution halt.
Ein (noch namenloser) und recht wortkarger Kollege hat einen schönen Stil beim Einsteigen. Beim ihm gehen die Bewegungen bemerkenswert flüssig ineinander über. Da will ich auch hin.
“Der Wakeboarder” wiederum beeindruckt in der zweiten Hälfte der Durchgänge regelmässig mit Sprüngen in die Welle. Das steckt an. Diejenigen, die es sich bereits zutrauen, springen auf. Für mich ist das (noch) nichts. Einzusteigen, mich nach links und rechts und von oben nach unten in der Welle bewegen zu können ist das, was mich gerade erfreut.
Das funktionierte in diesem Durchgang erstmals so ähnlich, wie ich es bereits mit Snowboard und Longboard schaffe. Meine persönliche Erweiterung der Fähigkeiten sollte sich an diesem Abend auf den Einstieg von der Goofy-Seite beschränken. Der ist vom Bewegungsablauf für “einen Regular” deutlich anders und nicht nur ein Spiegel der Einstiegsvariante von der anderen Seite.
Ich konzentrierte mich auf diese Lernherausforderung nachdem es mir gelang, mich von oben nach unten in der Welle zu bewegen. Das wiederum habe ich abermals Leo zu verdanken. Er beobachtete, dass ich durch meine Gewichtsverlagerung auf den hinteren Teil regelmässig “nach oben” aus der Welle herausgetragen wurde. In einem kleinen Dialog riet er mir das Gewicht weiter nach vorn zu verlagert.
Ich entgegnete, mich zu fürchten. Wenn das Board vorn unter Wasser gerät, dann drückt es die Nase nach unten und der Ritt endet abrupt. Je länger das Board, umso größer die Gefahr, wenn man zu schnell und zu stark von oben kommt. Wie immer ist es eine Frage der Dosierung. Angewandte Physik. Druck und Hebelarm. Mehr ist es eigentlich nicht.
Er entgegene
Was kannst Du verlieren?
Entweder es trägt Dich oben heraus, weil Du nicht gegensteuerst oder Du tauchst unten mit der Spitze ein.
Das überzeugte mich. Ich gab in den nachfolgenden Sitzungen ein paar dosierte Lenkimpulse und siehe da, ich blieb zwischen den zwei “Todeszonen”. Ein Mal gelang es mir sogar durch gezielten Gegendruck die Nase, die bereits zu einem Drittel von Wasser bedeckt war, mit einer kräftigen Gegenbewegung herauszuheben. Nun fühlte ich mich bereit, die Grenzen zu erkunden.
Bei einem der nachfolgenden Ritte kam Leo zu mir und informierte mich, dass ich bei diesem Ausstieg von oben etwa 3 Sekunden zu spät reagiert habe. Ich erzählte ihm, dass ich mittlerweile die Grenzbereiche auslote und es deshalb in gewisser Weise beabsichtigt habe. Das war dann OK für uns beide. Ich dankte ihm dennoch für die Angabe der 3 Sekunden. Jetzt habe ich wieder ein etwas besseres Gefühl, wie viel früher ich die Lenkbewegung beginnen muss.
Nach zwei weiteren Ritten war dann auch dieser Durchgang vorbei … dachte ich.
Ich überlegte mir, dass eine Aufnahme der Szenen gut gewesen wäre. Ich hatte bemerkt, dass eine Kamera am Kanal befestigt war. Ich wünschte mir, meine Ritte nachträglich und gewissermaßen von außen betrachten zu können. Ich hatte schon vor über 15 Jahren Videofeedback im Rahmen meiner Redner-Ausbildung als sehr wirkungsvoll erfahren.
In der Kabine kam dann das Gespräch darauf und Johannes bot mir an, meine Anteile der Aufnahmen zur Verfügung zu stellen. Er wolle ohnehin in den nächsten Tagen die Aufnahmen schneiden. Ich bot ihm Hilfe an.
Seit 2006 habe ich ein save.tv-Abonnement. Früher musste ich jede Aufnahme selbst von Unterbrechungen befreien. Seit ein paar Jahren macht das der Service bereits vor dem Download für mich. Manchmal funktioniert das aber nicht und dann muss ich selbst schneiden, wenn es mir wichtig ist. Das passiert aber noch höchstens ein Mal alle 18 Monate.
Wir tauschten per SMS unsere eMail-Adressen aus. So hatten wir alle für uns relevanten Kommunikationswege geöffnet.
Als ich zu Hause ankam und gerade das Angebot an 5′-Softboards sichtete, rief Johannes mich an.
Sie sind noch auf dem Parkplatz und kommen nicht weg. Er fragte, ob ich “zufällig” ihren Autoschlüssel gefunden hätte.
Hatte ich.
Ich beschrieb ihm den Schlüssel, den ich fand und informierte ihn über die Kasse, wo ich ihn abgegeben hatte. Um 22:16h erreichte mich die SMS. Sie haben ihn gefunden. Er dankte mir für’s Finden und Abgeben. “Selbstverständlichkeit” dachte ich zunächst.
Ist es das wirklich?
/Erkenntnis
Wer immer auf den entscheidenden Moment wartet, verfehlt ihn.
Der Moment ergibt sich aus einer langen Kette von Entscheidungen und Handlungen, die sich dann in einem bemerkenswerten Aufeinandertreffen entladen.
Der Weg ist es, der die eigentliche Aufmerksamkeit braucht – nicht das Ereignis, was die Auswirkung am Ende sichtbar macht. Das ist nur die zwangsläufige Folge, von aufmerksamen und zielgerichtetem Handeln.
So wie in der Welle
Als Du Gegengewicht gegeben hast war es schon zu spät.
Du hättest 3 Sekunden früher reagieren müssen.
Wenn man erst anfängt zu lernen, wenn man es braucht, kann man nicht schnell genug reagieren.
Fang an, bevor Du bereit bist.
Das Ausmaß der Wirkung entsteht aus der Vorbereitung.
Der angestrebte Erfolg stellt sich ein, wenn eins ins andere greift.
/was wenn
Wie immer im Leben kommt es auf das richtige Maß innerhalb der Extreme an.
- Was, wenn ich keinen Druck ausübe?
- Was, wenn ich zu viel Druck ausübe?
- Was, wenn ich Druck dosiere?
/Verdichtung
Unser Leben ist das Ergebnis vieler Entscheidungen – nicht notwendiger Weise unserer eigenen.
Es gibt kaum etwas, was wir als moderne Menschen vollkommen allein und eigenständig – autonom bis hin zur Autarkie – bewerkstelligen können. Die meisten Ergebnisse, die wir im Nachinein als großartig empfinden, entstehen erst aus dem Zusammenwirken von vielen durch vieles. Unsere eigenen Handlungen sind der eine Teil. Der andere Teil wird durch unser Umfeld bestimmt.
Jedes Ergebnis ist die Folge von Handlungen unter den Bedigungen der Situation.
Es hilft, wenn die Sitution stabil bleibt, damit wir unser Verhalten und die Auswirkungen von Verhaltensveränderungen betrachten können. Ich nenne das den geschützten Raum der Lernumgebung.
Im wirklichen Leben haben wir diese Möglichkeit viel zu selten. Die Situationen niemals vollkommen gleich und nur in gewissem Maß vergleichbar. Das macht die Sache umso schwerer und das Lernen umso aufwendiger als unter konstanten und stabilen Verhältnissen der Fall wäre.
Das ist im Übrigen auch das Erfolgsgeheimnis hinter dem Siegeszug industrieller Produktion. Die Produktionsbedingungen werden durch Standardisierung und Normierung geschützt und dadurch stabilisiert.
Solange die Nachfrage nach den erzeugten Produkten konstant bleibt, kann man sich auf die Effizienzsteigerung des Produktionsflusses konzentrieren. Sobald aber der Absatz stottert, die Nachfrage schwankt oder ganz wegbricht, muss anders reagiert werden. Dann braucht es ein Produkt, das in der Wahrnehmung der Verwender im Nutzen so sehr überwiegt, dass der Kunde bereit ist, dafür Geld auszugeben.
In meinem Fall ist das ein 5’er Shortboard. Ich könnte auch weiterhin für 4€ pro Session ein 6’0″-Board vom Kanupark mieten. Allerdings habe ich in dieser Session den Eindruck gewonnen, es würde meinen Lernfortschritt ab jetzt im Weg stehen. Meine Zeit auf der Welle ist mir zu kostbar, um sie durch falsch verstandene Sparsamkeit zu vergeuden. Ich gebe lieber knapp 300€ für ein eigenes Board aus.
Oder aber … sagte Johannes nicht, dass es für ihn das letzte Mal in diesem Jahr war?
/Es gibt nichts Gutes, außer …
Tu immer das, was Du für richtig hälst – aufrichtig und ohne Zwang.
Wenn jemand eine überzeugende Begründung hat, hör drauf und probiere es.
In der Umsetzung zeigt sich, wohin das wirklich führt.
Manchmal wird einer Recht behalten. Oft bekommen alle Recht.
Wenn eine Handlung nicht mehr zur Situation passt, sollte man in der Lage sein, ein anderes Verhalten zu erlernen oder das bisherige Verhalten anzupassen.
Manche nennen das Fortschritt.
Ständiger Fortschritt macht Leben anstregend und vielschichtig.
Manche nennen das “komplex”.
Mir macht das großen Spaß.
/etc
Blogbeiträge wie dieser sind die Verarbeitungsergebnisse von Impulsen, die ich aufnehme und mit dem zusammen verarbeite, was bereits in mir steckt. Ich verschriftliche die Ergebnisse in dieser Form, die ich “Denkprotokoll” nenne. Ich speichere Denkergebnisse aus, um Platz für Neues zu schaffen.
Was auch immer ich sonst noch für beachtenswert halte, teile ich über Blogbeiträge hier und anderswo.
Den besten Überblick über alle Fragmente vermittelt mein twitter-Kanal.
Mittlerweile habe ich ein 5’8″-Board geordert. Das Board, was mich eigentlich anspricht, ist zur Zeit nicht verfügbar. Nach der Artikelbeschreibung passt auch das stattdessen ausgewählte zu dem, was ich will und dem, was ich nach meinem aktuellen Lernstand brauche.
Mal schauen, wie ich beim nächsten Mal damit zurecht komme.
Mein nächster, gebuchter Termin ist leider erst in knapp einem Monat.
“Profi-Wellensurfen” wird so wenig angeboten.
Vielleicht ergibt sich vorher noch eine andere Gelegenheit …
/Inspiratoren
- SEEED – Deine Zeit
- G. Roth – Lernen ist verknüpfen und kostet Energie
- Greg Perry – It Takes Heart
“The life, we have to give, is only one …”
/Weiterführendes
- Surfspot Kanupark in Markkleeberg
- Shortboard-Surfen
- Spiral Dynamics
/Medien
“Life is better …” is a motiv to print on several items. You can order at keep-calm-o-matic here.
Das “Wellen-Kolleg” ist ein Foto von mir. Ich bitte darum, es nicht weiter zu verbreiten.
“Hang Loose” ist lizenziert gemäß CC BY-SA.
/lebewohl
Lebe lang, in Frieden und Wohlstand.
Mögen sich alle Bedürfnisse in Realität auflösen.
/berühmteletzteworte
Verläuft Dein Leben im Kreis?
Das Leben verläuft in Kreisläufen. Manche sind größer, andere kleiner.
An Ihrem Ende findet sich kein Ende – nur ein neuer Anfang.
Sprich zu denen, die es angeht. Teile, was Dir wichtig ist.
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