agiLEipzig Barcamp 2022

< „Sie haben da eine Lücke in Ihrem Blog.“

> „Wie? Ich? Ja. Ach. Corona.“

Endlich wieder Barcamp! So in Präsenz und vor Ort. Wahnsinn!

„Mit einem Augenzwinkern kann man sagen, dass jahrelang weder IT noch Organisation das geschafft haben, was das Infektionsgeschehen innerhalb von Tagen erwirkt hat.“ (Ab 02:30 “Klima der Veränderung”)

Und für agiLEipzig war mit der Pandemie erst einmal Sendepause.

Ja, es gab den Versuch, es „online“ zu machen. Es ist aber nicht dasselbe. Auch nicht mit gather.town wie ich es bei anderen Veranstaltungen erleben durfte.

Für Eilige – been there, done this:

Gitta: #C2M und so.

Janek: Thinking without Boxes

Jurgen: unFIX

Janek: Organisations-Poker

Lukas: warum schätzen, wenn Du auch messen kannst?

Conrad: CRUScH mit mir

/Tag 1

Es war und ist Krise.

Das erfordert #Pogofähigkeit – wie Gitta das nennt. Bis es los ging aßen wir Brezeln mit Butter. Drängeln mussten wir nicht.

/Warm-up: Stühlerücken

Traditionell beginnt das agiLEipzig Barcamp mit einem gegenseitigen Kennenlernen. Dieses Mal räumten wir die Stühle im Zentralbereich in wenigen Minuten. Auf der Freifläche stellten wir uns dann einander vor. Jeweils 2 Personen, 2 Minuten und 3 Mal hintereinander.

Jedes Mal mit den selben Fragen, die wir einander beantworteten:

  1. Was bringe ich mit?
  2. Was erhoffe ich mir?
  3. Was kann ich geben?

Die Fragen habe ich verkürzt und aus der Erinnerung wiedergegeben. Meinerseits hatte ich „Erfahrung“ im Gepäck, keine besondere Erwartung und nichts Besonderes im Angebot. Ich habe mich einfach nur gefreut, endlich wieder normale Leute zu erleben.

/Keynote

Gitta gab in Ihrer Keynote einen Überblick zu Ihren Arbeits-Ergebnissen aus den letzten 25 Jahren.

Für meinen Alltag hilft das Komplexitätsmanagementmodell „C2M“ am meisten. Für alles andere empfehle ich dringend, sich auf Gitta einzulassen. Einiges mag auf den ersten Blick verstörend oder irritierend und vielleicht auch anstrengend wirken. Der große Vorteil liegt dann aber in der Klarheit auf der Seite „so isses“. Über das Vehikel der Wirklichkeitsemulation wird es jedem möglich, andere die Welt sehen zu lassen, wie diese die Welt sehen. Von hier aus kommen wir leichter zu einander als wenn eine Gruppe es „richtig sieht“ und alle anderen abkanzelt mit der Phrase „das siehst Du falsch!“

„Wie siehst Du das?“ Meint: „zu welchen Ergebnissen kommt Deine #Wirklichkeitsemulation?“ wie @peyngitta es nennt. sag's weiter mit

/Pitching: „Hallo Micha!“

Viele kennen es schon – das „A und O der Sessionplanung“.

Mein Favorit stand schnell fest: Spielmechaniken mit Janek

Der Pitch von Christoph Göpert hat mir gut gefallen. Er suchte Gesprächspartner, um der neuesten Sau, die gerade durch sein Dorf getrieben wird, auf den Grund zu gehen: Site Reliable Engineering.

Keine Ahnung, ob das Menschen zusammengebracht hat. Ich habe ihm direkt im Anschluss das bevorstehende Barcamp ‚Developer Open Space‘ am Wochenende ab dem 14.10.2022 empfohlen.

/Slot 1: Verquatscht

Eigentlich wollte ich im ersten Durchgang die Session zur „Magie der Selbstorganisation“ hören. Tatsächlich gab ein Wort am Board das nächste und Janek und ich unterhielten uns über die Mechanismen der menschlichen Interaktion und was die Psychologie über unser Verhalten bisher herausgefunden hat.

Wir begannen neurologisch.

//Rechthaberei

Erwartungshaltung ist erfolgskritisch. Das Hirn sagt uns ständig die Zukunft voraus und es will Recht behalten. Wenn etwas eintritt, womit das Gehirn noch nie konfrontiert wurde, dann ist der Mensch perplex. Wenn er etwas anderes erwartet, ist er irritiert. Wenn etwas anderes als das Erhoffte eintritt, dann ist der Mensch enttäuscht.

Und wenn „immer“ das Vorausgesagte eintritt, dann ist das Gehirn gelangweilt.

Das Hirn erzeugt ständig Paradoxie. Einerseits will es Recht behalten und andererseits verfällt es in Langeweile, wenn alles wie erwartet eintritt. Evolutionär sei das so, um den Menschen wach, aufmerksam und in Bewegung zu halten. Sagt zumindest Janek. „Warten können“ hilft nur, wenn ich weiß, wann Beute am Wasserloch erscheint. Warten auf Regen fällt uns da schwerer. Und wenn wir noch nicht einmal wissen, was wir brauchen, dann fangen wir an auszuprobieren. Das führt dann zu allerlei unnützer Aktivität und einer Menge Fehlschläge.

/Exkurs
Der aktuelle Zustand der Welt und die drohende Klimakatastrophe ist auch eine Folge von genau diesen evolutionären Hypotheken. Zu Beginn der Industrialisierung ging es darum, überhaupt Autos und Telefone herstellen zu können. Dann ging es darum, diese Produkte für möglichst viele verfügbar zu machen. Seit den Marktsättigungen in den 70er/80er-Jahren (West) und deren Nachbrenner in den 90er-Jahren (Ost) ist die Frage des „Ob“ ersetzt worden durch die Frage nach dem „Wie“ (Qualität). Aus K0 (Auto: ja/nein) und K1 (Auto: klein .. groß) wurde K2 (Laufen, Auto, Fahrrad, Bahncard … ich weiß es doch auch nicht) und mit der Zeit K3 (ich habe TeilAuto, Flinkster, Bahncard und Corona). Danach kommt K4 (will ich überhaupt da hin?)

Auf die Fragen der Einzelnen gibt es die besseren Antworten immer nur im jeweiligen Kontext. Es ist unsere Aufgabe als Mitmenschen Unterstützung zu leisten und mit K5-Inspirationen zu Beglücken.

Das ist, was bei Cipolla als eine Win-Win-Situation beschreibt, die eine Lösung für CRUScH ermöglicht oder Tobias und ich als ‚The Art of Collaboration‘ erfahren haben.

Janek hat auch schon ein Gefühl dafür, worum es uns geht. Zu Anfang des Gesprächs ging er auf den vermeintlichen Konflikt zwischen Psychologie und Sozialwissenschaften ein. Manchmal haben mehrere Kontexte für „die Sache“ unterschiedliche Begriffe. Manchmal meint derselbe Begriff etwas anderes und meistens erkennen wir nur aus dem Kontext, was gemeint ist.

Deutsch ist eine schwere Sprache. Morgens heißt es ‚der Weizen‘ und ‚das Korn‘ und abends heißt es‚ das Weizen‘ und ‚der Korn‘ verwirre auch andere auf

Mein Lieblingsbeispiel ist „DE: Sicherheit“ mit nur einem Wort lässt sich das in der deutschen Sprache nicht unterscheiden. Bei EN: Security vs EN: Safety ist das schon prägnanter. Security meint den Schutz vor unbeabsichtigter EINWirkung während Safety den Schutz vor unbeabsichtigter AUSWirkung meint.

Und andersherum gibt es das auch. EN: need > DE: Bedarf vs. DE: Bedürfnis.

Für die einen sind es „Koks und Nutten“, für andere „Chips und Netflix“. Oder wie meine Eltern es ausdrückten „Auf jeden Topf passt ein Deckel“. Von Conrad lernte ich einst: „Die Grundlage jeder stabilen Beziehung ist das, was die Beteiligten schützen wollen“. Aber das ist eine andere Geschichte.

Und ja, ich weiß, dass in elaborierteren Sprachumgebungen zwischen „needs“ und „demand“ unterschieden wird.

//Geschenke

Viele wählen Geschenke nach ihrem Preis – also dem finanziellen Aufwand und nur vermeintlichen Wert, andere nach der Bedeutung aus. Dann verheddern sie sich in „Bedeutung für die Gesellschaft? Für mich? Für sie:ihn?“

Den Wert eines Geschenks beurteilt sein Empfänger jedoch vor allem nach dem, was dieses Geschenk ermöglicht. Die wertvollsten Geschenke gewähren einen Zugang, der bislang verwehrt ist.

Alex S. steuerte ein herrlich skurriles Beispiel bei. Sie erzählte, wie sie einstmals ein Multi-Tool zum Muttertag (sic!) erhielt und beseelt durch die ganze Wohnung eilte, um Gardinenstangen für die bevorstehende Renovierung abzuschrauben.

Mit diesem Wissen ist es nun leichter, wertvolle Geschenke zu machen. Es bleibt dann noch die Frage, ob es eine Überraschung sein muss – s. //Rechthaberei oben.

//Scheitern

Viele beschweren sich über mangelndes Vertrauen, lähmende Langeweile und fehlenden Gestaltungsspielraum. Dieses Phänomen beobachten viele vor allem in Konzernen und es wird immer wieder vom öffentlichen Dienst behauptet. Überdurchschnittliche Gehälter und üppige Pensionen locken alle mit dem Grundbedürfnis nach materieller Sicherheit an und halten sie mit der  Geborgenheit in einer großen Gruppe. Und dann finden sich diese Menschen in einem goldenen Käfig, der ihnen „auf Arbeit“ die Wahl zwischen #BurnOut und #BoreOut (K1) lässt.

Alle diese Symptome sind Hinweise auf das psychologische Paradoxon.

In dem innigen Wunsch, die Zukunft vorauszusagen, will das Gehirn alle Möglichkeiten des Scheiterns eliminieren. Sowohl „die Industrie“ als auch der öffentliche Dienst setzen bei diesem Scheinbedürfnis an. Sie erzeugen ein Erwartungsversprechen. Das Gehirn wünscht sich vermeintlich einen K0-Zustand, der immer „wahr“ ist. In einem natürlichen Umfeld ist das sehr unwahrscheinlich und muss daher ständig herbeigeführt und überprüft werden. Das hält den Menschen aktiv, aufmerksam und beschäftigt.

Dauerhafter Erfolg ist allerdings in der freien Natur unmöglich. Und Kultur setzt genau hier an, indem Erfolg erwartbar und wahrscheinlich gemacht wird. Doch sobald es keine Möglichkeit des Scheiterns mehr gibt, geht auch der Reiz verloren.

Oder wie einmal schrieb: „Das Risiko gibt der Chance ihren Wert.“ tweet

//Vertrauen

Zum Glück hat uns die Natur ein Werkzeug mitgegeben, um mit den Unwägbarkeiten des Lebens umzugehen.

Von Janek lernte ich

Vertrauen braucht Abgründe stürz' dich hinein auf Wir stammen alle von Feiglingen ab. trau Dich auf

Und Alex ergänzte „Die Mutigen wurden gefressen.“

Wenn sich zwei Parteien derart wenig vertrauen, dass sie sich Anwälte auf den Hals schicken und jeden erdenklichen Abgrund mit Regelungen ausschildern und Vertragsstrafen zuschütten, dann ist Vertrauen weder vorhanden noch erforderlich.

Tatsächlich ist Vertrauen die evolutionäre Antwort auf die Kosten der Absicherung.

Und an dieser Stelle setzte Alex ein. Sie und ich stellten amüsiert fest, unsere Väter kommentierten so manche „Rationalisierung“ in den späten 80ern und frühen 90ern mit den Worten

Es muss gespart werden, koste es was es wolle! spare auch Du mit

Ein Wort gab das andere. Janek hatte sich mühsam losgerissen, um seine Session vorzubereiten. Punkt 13:00 schaute ich erstmals auf die Uhr und wir beendeten dieses Gespräch, damit wir die verbliebenen Attraktionen erkunden konnten.

/Slot 2: Spielmechaniken

Bevor ich mich wirklich mit Janeks Angebot auseinandersetzte, wollte ich zunächst wenigstens Reste des Mittagsessens abbekommen. Seit ein Paar Jahren machen wir auf unseren Familienfeiern „Spaghetti-Buffets“. Ein befreundeter Gastronom hält das für sehr schwierig. An ihn musste ich denken als ich die Rigatoni in rot sah. Angeblich seien diese al Arrabiata gewesen. Nun ja …

Danach lenkte ich meine Aufmerksamkeit auf die Matte mit den Sechsecken.

Das Toolset ist großartig und erinnerte mich an das, was die Sokrates-Karten tun. Zuerst beginnen die Umstehenden mit Ihren Worten das auszudrücken, worum es geht. Dann werden diese einzelnen 6-Ecke zu Inseln zusammengefasst und mit einem (grauen) Oberbegriff versehen. Die Insel können miteinander verbunden werden und bestimmte Aspekte können mit „dickeren“ Sechsecken erhöht werden. So können einzelne Stakeholder wie Inhaber, Kunden, Management oder Arbeitsebene ihre Schwerpunkte setzen. Wenn dann der Meeresspiegel steigt, zeigt sich, wo am Ende die wichtigsten Aspekte zu finden sind.

Heiko gesellte sich zu mir und wir führten ein herrlich schräges Mehr-Kontext-Gespräch über das, was wir vor uns sahen, Ernährung, Alter, Brillen und ihren Einfluss auf unsere Sehfähigkeit. Gitta hätte ihre Freude dran gehabt. K5 würde ich sagen.

/Slot 3: entfiel

Wir waren fertig. Vielleicht nicht inhaltlich, doch ganz sicher körperlich. Kann man Barcamp verlernen? War es die Location oder die Intensität des Austauschs? Für mich war das Klima im Simplioffice zu trocken und als ich das zu C. sagte, bekräftigte ein anderer Teilnehmer „ich hatte gerade Nasenbluten.“

/Tag 2

Keine Registrierung. Hinein ins Vergnügen.

Wir hatten zuhause gefrühstückt. So blieben mehr Sandwiches für die anderen übrig.

Peters Stimme versagte nun vollständig und wenig später folgte die Soundanlage. Im IT-Support heißt es dann gern „Gestern gings noch. Ich habe gar nichts gemacht.“

/Keynote: unFIX

Jurgen war bereits einmal auf dem Barcamp zu Gast. Damals hatten wir das Alexander Krause zu verdanken. Wie es dieses Mal dazu kam, weiß ich nicht. Vielleicht war es ein Trainingslauf für die bevorstehende unFIXcon. Der Berlin-Marathon konnte es nicht sein. Der startete, während Jurgen seine Keynote vortrug.

#Läuft?

Morgens früh lief er bereits 11 km am Elster-Flutbecken und um das Stadion herum. Er tut das, weil er einen Marathon laufen möchte, weil ihm das wichtig ist. Und weil er ein Wissensmensch ist, widmete er sich einem Rezeptbuch nach dem nächsten. Jeder große und etliche nicht ganz so große Läufer beschreiben ihre Methoden in Büchern. Es sind für Jurgen jedoch kaum methodische Übereinstimmungen erkennbar. Er stellte fest: jeder hat eine Methode und jede ist anders. Teilweise widersprechen sich die Empfehlungen sogar.

Und irgendwann fiel ihm auf

Menschen sind erfolgreich, weil sie die passende Methode entwickeln. Erkenntnisse teilen mit

Es geht also nicht darum, das nachzuahmen, was andere erfolgreich gemacht hat – s. „Spotify-Modell. Es geht vielmehr darum zu erkunden, welche Bausteine im gegebenen Kontext den Erfolg begünstigen. Im Kern geht es also um angewandte Evolutionstheorie im Zeichen des Cynefine-Framework. Erkenne die Umstände, erkenne die Erfordernisse und finde heraus, welches Vorgehen (aka “Methode”) einen Erfolg wahrscheinlicher macht.

Entstanden ist aus dieser Erkenntnis ein Art „Neufert für die Organisationsentwicklung“.

Wenn jemand wie Jurgen auf Organisationen schaut, dann sieht er Teams, Funktionen, Aufgaben und Informationsflüsse. Wenn nun diese Aspekte, wie Lego-Steine betrachtet werden und ineinander gesteckt werden, entsteht eine Organisation, die Ergebnisse erzeugt.

In den darauffolgenden Schritten wird nun die Organisation unter den Aspekten optimiert, die den Beteiligten wichtig sind. Manche kennen das schon als ‘Lego Serious Play’.

Es hilft zu verstehen, dass Organisationen und ihre Wertschöpfung bestimmten Ordnungsprinzipien folgen.

  • Architektur ist Ordnung im Raum
  • Protokolle sind Ordnung in der Zeit
  • Prozesse ordnen Wert in Raum und Zeit

Der Käufer eines mit der “Felicity Ace” im Ozean versunkenen Luxus-Sportwagens wird sicherlich begrüßen, dass der VW-Konzern sich dazu entschieden hat, die eigentlich bereits eingestellte Produktion wieder aufzunehmen.

Wohingegen sich die Käufer von Glühwein und Spekulatius im Juni eher zurückhalten werden, selbst wenn der Preis noch so günstig ist und die Verfügbarkeit wider Erwarten gegeben sein sollte.
This one goes out to John Maynard Keynes.

Erfolgreichen Organisationen gelingt es, ihre Wertschöpfung durch Prozesse so anzuordnen, dass der höchstmögliche Wert bei der Erfüllung ihres Zwecks und damit beim Abnehmer des Ergebnisses ihrer Wertschöpfung (aka “Produkt”) genau dann und dort entsteht, wenn und wo es gebraucht wird.

Wobei das mit dem “Brauchen” von Lamborghinis noch einmal eine ganz andere Geschichte ist.

Mit dem Abnehmer im Blick, lassen sich alle uns bekannten, weil bislang erfolgreichen Ansätze bewerten und auch erklären, warum sie zu einem gegebenen Zeitpunkt erfolgreich oder erfolglos sind. Das umfasst vor allem das aus dem Toyota Production System (“TPS”) abgeleiteten “Lean Management” für Produktionsbetriebe und die uns möglicherweise bekannten Beispiele, in denen “agile Entwicklung” mittels Scrum zu erfolgreichen Entwicklungen von ikonischen Produkten geführt haben. Interessanterweise ist mir nicht ein solches Produkt bekannt, obwohl es doch ach so viele Organisationen versuchen. Die tatsächlich herausragenden Produkte wie “Windows XP” basieren u.a. auf dem damit eingeführten ‘Pair Programming’ aus dem XP-Methodenbaukasten, “Windows 7” und seine Nachfolger sind so stabil, weil Menschen bei Microsoft Research der Hypothese in “Conway’s Law” nachgegangen sind und Tinder ist heute das, was es ist, weil Menschen nach dem Pivoting im “Double Diamond”-Vorgehen des Design Thinking den Business Case von “Bildersuche” hin zu “Personensuche” angepasst hat.

Alle diese ikonischen Produkte ragen heraus, haben jedoch nur wenig mit dem alltäglichen Leben zu tun, das wir jeden Tag zu meistern antreten.

Jurgen erzählte von den lokal-optimierten Produkten seiner Bank, die allem Anschein nach nie auf ihr prozessuales Zusammenspiel hin überprüft wurden.

Anektdote: „between agile Products life sucks!” > als tweetable

Jurgen erzählte jedenfalls, dass ihm in seiner Jugend ins Krankenhaus eine Kiste LEGO-Steine gebracht wurde, die er sich zuvor sehnlich gewünscht hatte (s. oben //Geschenke). Die Steine konnten nun zu einem Modell des Krankenhauses werden und am nächsten Tag zu einem Flugzeug. Am Ende der Woche waren sie ein Piratenschiff und er sah sich klar seinem Bruder gegenüber im Vorteil. Der favorisierte in dieser Zeit Playmobil und musste von einem Ereignis zum anderen warten, um zu seiner Ritterburg noch ein Piratenschiff und dann den Aufnahmewagen geschenkt zu bekommen, bevor er seinen imaginären Piratenfilm drehen konnte.

Jurgen begann daraufhin alle seine Erfahrungen und ihm bekannten Inspirationsquellen zu untersuchen und erkannte schnell: Muster.

Muster sind wiederkehrende Anordnungen.

Sie können sowohl routinemäßige Prozeduren, farbliche Abfolgen als auch Töne sein. Wir nennen das dann “Aufgabe”, “Prozess”, “Ampelsteuerung” oder “Musik”. Wobei Handlungen, Farben und Töne “LEGO” sind und ein “Deployment-Prozess” eben kein “Playmobil Piratenschiff” im Sinne von Florian Illies.

An dieser Stelle drängt sich mir die Parallele zu Gittas Selbstrhythmisierung von Organisationen auf –  und damit die Kommunikationsmuster in ‘iForm’ und ‘uForm’. Ob die Organisatoren das wohl genau so gesehen haben als sie die beiden angefragt haben?

Wer im unFIX-Modell die Farbcodes von “Team Topologies” wiedererkennt, dem sei gesagt: das ist kein Zufall. Dieses und eine Reihe anderer Bücher dienten als Grundlage für Jurgen, um den unFIX-Organisationsbaukasten zu kodieren.

Man kann auch ohne diese Werkzeuge erfolgreich sein, wie sein Beispiel des Haushaltsgeräte-Herstellers Haier verdeutlicht. Dieses Unternehmen hat sich schon vor über einer Dekade als Netzwerkunternehmen umstrukturiert und hat deshalb Waschmaschinen im Portfolio, mit denen Gemüsebauern sowohl Kartoffeln als auch Möhren und Latzhosen waschen können.

Jurgen warnte dann noch vor “Framework-Templates”, die dazu führen, alle Module der Vorlage zu implementieren, weil diese “da” sind. Oder, wie ich es erlebt habe: das führt zu “Prozess-Befriedigung” anstatt zur “Kundenzufriedenheit”.

Stattdessen: “Start where You are!”

Und dann jeweils nur das hinzufügen, was Moment gebraucht wird.

Und schon ahnen wir es: Wer ist der Kunde einer Organisationsentwicklung?
Es sind die Nutznießer einer Organisationsfunktion. Und da lauert auch schon im Unterholz der Rationalisierung unter dem Laub der Vorjahre verborgen die Bärenfalle “Profitcenter”.

“Kein Problem” denkt sich der jugendlich-smarte Organisationsberater. Wir schreiben einfach an Funktionen wie “Management” ein Preisschild und messen die Wirksamkeit von Führungspositionen.

Die erfahreneren Berater wissen schon, wo Widerstände entstehen werden. Solange ein Transformations-Auftrag mitsamt objektiver Überprüfbarkeit der Management-Ebene von genau dieser Management-Ebene in Auftrag gegeben wird, kann alles Mögliche passieren … und das wird nicht dazu gehören. Und so bleibt dann nur noch mein Warnhinweis aus dem Elfenbeinturm: alles weglassen, was nicht mehr gebraucht wird. Das hält die Organisation schlank und beweglich (aka “agil”).

/Pitching

Es gab ein Backlog. Das waren Überhänge vom Vortag. Diese Gastgeber durften als erste um die Gunst des Publikums werben.

Conrad und ich haben den “CRUScH-Teaser” für den letzten Durchgang des Tages angeboten.

Als Lukas die Session „Entspannt Metriken entdecken“ anbot, war für mich der Slot 2 unerschütterlich fest gebucht. Lukas war mir schon beim letzten Präsenz-Baracamp aufgefallen. Micha hatte die Gruppe um Mitwirkung gebeten – wie es so seine Art ist. Er hatte damals den Auftrag, ein Vorgehensmodell mit Metrik-basierten Statusübergängen zu vermitteln. Diejenigen, die sich berufen fühlten waren allesamt sehr vernünftige und erfahrene Trainer, Coaches, Scrum Master oder UX Designer und wir kamen nicht so recht weiter. Irgendwann bezeichnete Volker das, was dort angeblich maßgeblich sein soll als „Popometrie“ … „Du musst halt im Hintern spüren, wie es läuft“. Die Amerikaner sagen dazu auch „Pain in the Ass“. Das hat dann wohl Lukas ermutigt, seine Sicht auf das Steuerungsmodell zu äußern.

„Du bildest damit Subjektivität auf Irrelevanz ab.“ @lukasDonSchmidt auf dem #agiLeipzig #Barcamp 2019 feiere irrelevanz mit

Seither ist Lukas auf meinem Schirm. Auch weil ich im Anschluss daran (damals 2019) von ihm den für mich außerordentlich wertvollen Tipp ‚The Art of Action‘ bekam. Stephen Bungay ist offensichtlich auf ähnlichen Spuren unterwegs wie Jan Fischbach mit seinen 150 Jahren Scrum.

Ich musste mir am Abend des Vortags und am Frühstückstisch mehrmals anhören, „Thinking without Boxes“ sei kein Spiel. Es gehe nicht um „Gewinnen und Verlieren“. Mit einiger Erleichterung hörte ich deshalb die Einleitung zum erneuten Angebot am zweiten Tag. Janek zeigte sich kritikfähig und bewarb sein zweites Angebot mit dem Hinweis, ‚Thinking without boxes‘ sei kein Spiel. Es gehe nicht um „Gewinnen und Verlieren“, sondern darum, Spielmechaniken – also vertraute Abläufe – in anderen thematischen Kontexten zu nutzen, um Erkenntnisse in und für die eigene Organisation zu erzielen.

Puuhh …

Vor allem aber pitchte Janek für das „Organisations-Poker“, das bis dahin nur wenig mehr als ein LinkedIn-Post war. Ich hatte ihn am Vortag ermutigt, nachdem das Gespräch über Mehrdeutigkeiten, unausgesprochene Voraussetzungen und den „Clash of Cultures“ auf das Barnga-Game kam. Ich selbst habe es nie gespielt. Ich kenne es nur aus Tobias Erzählungen und seinem Bericht, wie es einmal fast zu einer Schlägerei in seinem Team kam, als er es für’s Teambuilding eingesetzt hat. Janek war darauf nicht vorbereitet und so versprach ich ihm für alles Erforderliche zu sorgen. Am Abend druckte ich eine Übersichtsseite mit der Wertehierarchie für Poker-Hände und bat Conrad, am nächsten Tag ein 52er-Blatt mitzubringen. Wir selbst hatten nur ein 32er-Blatt und mein Poker-Koffer für CRUScH war noch mit den anderen Blättern in meinem Büro und deshalb für mich schwerer zu erreichen als ein Canasta-Blatt für Conrad.

/Slot 1: Selbstorganisations-Poker

Eine Schar von anfangs 5 – 8 Personen war bereit, etwas Neues zu erleben. Mit jeder Runde kamen mehr Menschen dazu, was an sich kein Problem war. Die Übung kann mit einen 52er-Blatt von bis zu 26 Menschen in einem Durchgang gleichzeitig ausgeführt werden. Der eigentliche „Witz“ dabei ist das abgebildete Wachstum einer großartigen Idee. Sie zieht immer mehr Menschen an. Mit jeder Runde wurden es nicht nur mehr Leute, es wurde auch unübersichtlicher und vor allem lauter.

Was geht ab?
Regel > Aufgabe (aka „Zielsetzung“)

1: nicht sprechen, Karten verdeckt > sei Teil der besten Hand

2: nicht sprechen, Karten offen > sei Teil der besten Hand

3: mit Sprechen, Karten offen > sei Teil der besten Hand

Ab hier wurde es zu laut für „die Introvertierten“ vom Main Stage.

4: mit Sprechen, Karten offen > bildet die besten Hände

5: mit Sprechen, Karten offen, Karten mehrfach verwendbar > bildet die hochwertigsten Hände

Gelernt: wir erlebten die Evolution der Wertschöpfung

Ab Iteration 4 gibt es nicht mehr die 1 beste Hand, sondern mehrere sehr gute und sogar mehrere beste Hände sind möglich. Diese wurden erreichbar, indem einzelne Personen koordinierend wirkten („Management“?). Meist hatten sie eine Idee von einer hohen Hand und begannen nach den Karten zu suchen, die dafür noch erforderlich waren. Anstatt dass nun alle Wertschöpfer herumstanden und sich durch Koordinierende an den Ort der höchsten Wertwirksamkeit bugsieren zu lassen, weiß jeder um seine eigenen Karten und bewegt sich „auf dem Markt“ dorthin, wo Nachfrage nach diesen Karten besteht.

Ab Iteration 5 wurde es dann vollkommen unübersichtlich und ich hielt nur noch meine Karten hoch, damit Suchende sie für ihre Vorstellung von einer guten Hand nutzen konnten.

Die Ergebnisse waren jeweils objektiv überprüfbar. Auf der Grundlage des von mir ausgedruckten Wertesystems wertete Janek das Ergebnis der Gruppe aus. Wenig überraschend überragte das Ergebnis aus Iteration 5 alle anderen schon nach weniger als der Hälfte der ausgezählten Hände.

In den Phasen 1 bis 3 fanden sich die Asse schnell zusammen. Sie brauchen den Königskicker, um eine valide Hand zu bilden. Sobald aber ein Ass Teil einer Straße werden kann, bricht die Hand auseinander und mehr als ein Full House ist nicht mehr drin. Das passierte erst ab dem Moment, ab dem Menschen miteinander kommunizieren.

Oder wie Janek es sagte:

„Die Asse finden schnell zueinander. Die Hand bricht genau so schnell wieder auseinander, wenn Menschen miteinander reden. Doch dann kann auch die ‚2‘ Teil von etwas Großem werden.“

Was lernen wir daraus?

Lass die Einschränkungen weg, um höheren Wert zu erzielen. unbeschränkt teilen auf

Interessant wird es, eine solche Verkürzung im Zusammenhang mit einer Flusssteuerung nach Kanban zu betrachten: von Klaus Leopold lernte ich

“Begrenze die Arbeit dort, wo der höchste Wert entstehen soll.” @klausleopold #flightlevels vergrößere wert auf tweet.

Und wie ist es in der wirklichen Welt?

Die Wertfestlegungen der Pokerhände orientieren sich an der Unwahrscheinlichkeit ihres Vorkommens in einem 52er Kartendeck. Die Möglichkeiten sind also – theoretisch – jedem bekannt und sie sind limitiert. Am unwahrscheinlichsten und damit am höchsten wert ist der Royal Flush. Nur wer sagt uns, dass es darauf ankäme? Möglicherweise braucht ein Markt gar nicht das Seltene. Vielleicht wird sehr viel von einfachen Ausgangsprodukten gebraucht, um massenhaft individuelle Produkte herzustellen (#MassCustomization, #LotSize1)?

Für mich passte das Spiel perfekt ins Motto „agile and beyond“. Sobald die Selbstorganisation verstanden, akzeptiert und praktiziert wird, ist eine Organisation bereit den nächsten Schritt zu gehen. Sie kann nun hinterfragen, ob das bisherige Wertegefüge noch zu dem passt, was das Markt heute nachfragt.

“Es gibt sie in allen Farben … solange es schwarz ist.”

Neue Organisationen entstehen meist anders herum. Sie entstehen um den Glauben, eine Nachfrage im Markt erkannt zu haben und geben sich mit steigender Marktresonanz, die Organisationstruktur, die erforderlich ist, um diese vermeintliche Nachfrage zu bedienen. Sobald dann die Resonanz einsetzt, verewigt sich diese erste erfolgreiche Struktur.

Ich kenne aus eigener Erfahrung nur 1 ½ Organisationen, die Reorganisation zur Unternehmenskultur gemacht haben.

Die eine ist die Deutsche Telekom, die regelmäßig alles daran setzt, Prozesse derart zu atomisieren, dass sie auch wirklich nicht mehr handlungsfähig ist. Ich fürchte mich schon vor der Zeit in 10 Jahren wenn auch die letzten, die das Geschäft noch wirklich gelernt haben und einander gut genug kennen in Rente gegangen sind. Ohne deren persönliche Beziehungen zueinander wird dann nicht mehr viel gehen, was nicht explizit im Prozesshandbuch steht.

Das andere Unternehmen war Microsoft in den 00er-Jahren. Damals war es für die Organisation eine Art Sport, das Unternehmen zu Beginn eines jeden Geschäftsjahrs (1.7.) so durcheinander zu würfeln, dass über den Sommer hinweg gar nichts mehr ging. Dann kamen alle aus den Urlauben zurück und als sie sich den Weg zum neuen Büro merken konnten war auch schon Wiesn. Jetzt gingen alle miteinander, den Partnern, deren Kunden und Leuten wie mir ins Zelt und danach war genug Grundlage für das nächste Rekordjahr gelegt.

Keine Ahnung, ob das unter Satya auch noch so läuft. Ich denke mal eher nicht.

/Mittag

Dieses Mal gab es Curry Bowls in den Varianten “Veggie” und “Rind”. Ich bekam rechtzeitig und genug davon mit um eine kleine Versuchsreihe zu starten. Überraschenderweise sagte mir die Veggie-Variante deutlich mehr zu. Vom Rind war kaum etwas zu merken und insgesamt war der Geschmack der Veggie-Bowl runder. Manche würden auch von “komplexer” sprechen.

Mein überraschender Favorit wurde Veggie mit frischer Gurke und Teriaki-Soße.

/Slot 2: metrics & measures

Dann war es endlich soweit. Auf diese Session habe ich mich sehr gefreut. Warum? S. oben.

„Du bildest Subjektivität auf Irrelevanz ab.“ @LukasDonSchmidt @agiLeipzig Barcamp 2019 Click To Tweet

Das Gefühl hatte in der Session damals „irgendwie“ jeder. Es gelang uns aber erst durch Lukas die Worte dafür zu verwenden. Damit war dann auch klar, worin der eigentliche Wert des Modells für die Organisation lag. Es sicherte die Abhängigkeit von „altgedienten“ Managern, die sicherstellten, dass alles läuft wie gewohnt.

Beim ersten Präsenzmeeting seither fragte ich Micha im Frühjahr (jetzt 2022), wie es denn damals weiterging und wie ihm die Session geholfen hat. Es wurde dann alsbald klar, dass dieses Modell nicht dazu dienen sollte, objektiv und agiler zu werden. Es war lediglich dazu entworfen worden, die vermeintlich agilen Teams möglichst unbemerkt weiterhin unter der Kontrolle des mittleren Managements zu halten. Micha gelang es damals immer weniger, sich Verständnis dafür einzureden. Wenig später wechselte er den Auftraggeber und dann kam ohnehin Corona. Ich reflektierte das mit den Worten:

agiLEipzig Barcamp 2022 brücken abbauen mit

Überraschenderweise sind wirklich erfolgreiche Unternehmen nicht von der Erfahrung einzelner Personen abhängig. Sie wollen es sich nicht leisten, von bestimmten Personen abhängig zu sein und zu riskieren, dass Prozesse stehen, sobald die einzelnen Kompetenzträger nicht da sind. Wirklich erfolgreiche Unternehmen machen als Gruppe Erfahrungen, die sie wiederum mit Prozessen absichern, die von Daten getrieben und von Erfahrung gestaltet werden.

Lukas hatte dafür eine Grafik vorbereitet.

Bedeutung von Zahlen verstehen

Wie wir sehen, sehen wir keine Menschen. Nur Zahlen, Daten, Fakten. Und so etwas wie eine Lernkurve.

Sie bildet den Weg von einer “Powerpoint-driven Company” hin zu einer “Data-driven Organization ab”.

An deren Ende ist eine Organisation in der Lage, Ihr tun nach Kategorien wie Quantität und Qualität zu beurteilen und sie ist sogar in der Lage in mehreren Dimensionen differenziert zu messen und für die gegenseitigen Abhängigkeiten ihres Organisationskomplexes Metriken zu finden, deren Wechselwirkungen zugelassen und sogar begrüßt werden.

Merke: Komplexität stabilisiert!

6 Dimensionen und ein Kontext

Denn: würde sich die Organisation nur auf 1 Metrik wie bspw. Durchlaufzeit oder Stückzahl (aka “Output”) konzentrieren, so wäre der Spaß schnell vorbei. Der Ball läge beim Hulk und alle Kinder zu seinen Füßen in das Tuch gewickelt – sofern er es nicht gleich zerreißt.

Für mich war die Session deshalb wichtig, weil ich den Wert solcher Betrachtungen bislang lediglich erahnt habe. Dort, wo ich bislang zum Einsatz kam, werde ich meist für die Etablierung der ersten Strukturen und so etwas wie ein „Proof of Concept“ engagiert. Die Strukturen existieren dann meist noch nicht lang genug, um Daten in der erforderlichen Menge und Diversität bereitstellen zu können.

Immerhin konnte ich schon mehrfach Zeuge des von mir so genannten „Out of Story-Errors“ werden.

Das ist der Moment, ab dem ein Team in die Performance-Phase eintritt und das bis dahin mühevoll aufgebaute Backlog in zwei bis drei Sprints wegschmilzt. Nach meiner Erfahrung setzt dieses Phänomen irgendwo zwischen der 5. und 8. Iteration ein. Und weil in irgendeinen Stein gemeißelt ist, ein Sprint habe 14 Tage zu dauern, setzt der Out-Of-Story-Error zwischen Ende 1. und im Verlauf des 2. Beauftragungsquartals ein.

Es gibt dann auch Scrum Master, die verfügen über genug Daten aus den zurückliegenden Sprints, um typische Muster bei den Burndown-Charts einzelner Teams zu beobachten.

Die Klassiker sind nach meiner Erfahrung „die Ritterburg“ und „am Abgrund“.

Team Velocity Patterns

In der Session kamen wir dann “zwangsläufig” auf OKR.

//there is no such thing like #Zufall!

Am Mntg frh! nach dem Barcamp reflektierte ich diese “Kennzahlen-Session” mit den Kollegen und Conrad erwähnte Felix (C.) Stein, der Metriken für die Messung der Agilität einer Organisation vorschlägt.

Simon und ich haben den Faden nach der Session noch etwas weiter gesponnen.

„Das schwierigste an #OKR ist das Objective“ @herrsimon auf dem @agiLEipzig #Barcamp 2022 Mach Schwierigkeiten auf

Und da war sie wieder, “die Sache”. Worum geht es uns “eigentlich”? Der “Purpose” ist dann schon wieder einfach: dieses Ziel erreichen.

Doch:

  • Warum gibt es uns?
  • Was treibt uns an?
  • Warum kann nicht alles so bleiben, wie es gerade ist?

Oder wie es Gerald Hüther formuliert hat: “Was wollen wir miteinander verwirklichen?”

Eine zusätzliche Schwierigkeit kommt daher, dass diese “großen” Begriffe schon so oft durchgekaut und selten wirklich wurden, dass vieles nun “halbgar”, “abgegriffen” und “fad” wirkt.

Jeder kann zu BMW stehen, wie er:sie will, doch dieses “joy is” stellt für mich weiterhin das “Benchmark” dar. Wer schon einmal innerhalb gearbeitet hat, kennt dieses abwertende “das ist nicht #premium!”. Über alle Jahre und Projekte hinweg konnte mir damals keiner sagen, was denn nun “premium” sei, wonach es sich bemisst und woran wir erkennen, dass wir es erreicht haben. Dabei könnte man selbst solche emotionalen Wertschätzungen objektivieren: NPS in der ‘target audience’ über Wert x.

Im Falle von launchlabs wäre es beispielsweise ein claim wie “start 2 fit”.

Das Objective wäre weniger die bisher von ihnen favorisierte “Signature”, die ich tatsächlich überall dort erkenne, wo sie ihre “Finger im Spiel” hatten. Für mich wäre das Objective eher ein “Organizational Fit”, das ihre Kunden verbessern möchten und was sich dann für launchlabs zeigt an:

  • Frequenz der Gespräche (vor, während und nach dem Auftrag)
  • Anzahl der Termine
  • Anzahl der Teilnehmer (und ihre Skalierung > virale Ausbreitung)
  • Von mir aus auch RoTI oder NPS der Termine selbst
  • Und gern auch externe Referenzen wie DB1 und DB2 beim Kunden (> Wert!)

Aber was weiß ich schon? Ich denke hier nur vor mich hin.

/Slot 3: „Ein Mal mit Profis!“

Zu Beginn der Corona-Zeit haben Conrad und ich einen Workshop entwickelt. Es ging dabei um viel. Einerseits sollte etwas geschaffen werden, um Conrads Präsenzgeschäft zu kompensieren. Andererseits wollte ich etwas haben, um meiner immerwährenden Frage „warum machen die das nicht einfach??!“ näher zu kommen.

Wir hatten also einen „Customer from hell“ entworfen und noch eine Menge anderes Konfliktpotenzial in ein vermeintlich einfaches Szenario eingebaut.

Im Verlauf der darauffolgenden 18 Monate kristallisierten sich unterschiedliche Varianten in unterschiedlicher Breite und Tiefe heraus.

Trotz all unserer Erfahrung bleibt die Frage: „wie sage ich Dir, dass Du es brauchst?“

Wer ein Mal in unseren „offenen Sessions“ war, hat eine Vorstellung davon, worum es geht und was passiert. Wer meint, es bringe auch die eigene Organisation voran, der bespricht mit uns ein Szenario, das wir mit CRUScH verwenden können, um die Organisation zu verbessern.

Doch: „wie kommen wir dahin?“

Angebote auf Conrads Webseite sind für die meisten zu abstrakt und nichtssagend. Das Dokument, das beschreibt, was wir tun könnten, ist zu umfangreich. Die bisherigen Pitches auf Barcamps gingen in die Hose. Viel zu „meta“.

In meiner Verzweiflung schlug ich vor: „Lass uns nur die 1. Iteration machen.“

CRUScH besteht im Kern aus drei Sprint-artigen Iterationen, in denen ein Team (im Standard) wirklich-wirklich eine Lösung entwickelt. Am Ende des Tages muss es funktionieren.

Die drei Iterationen sind wichtig, weil hier das Team (mit Hilfe von Coaches) seine Arbeit reflektieren und anpassen kann. Indem das Ganze „nicht in echt“ und daher weder von Erfolgsdruck und nur durch wenige soziale Restriktionen korrumpiert wird, bekommen die Teilnehmer „ein Gefühl“ dafür, was möglich wäre – in einem Zeitraum, den viele für irrwitzig halten.

Und also machten wir nur „den Brief“.

Siehe da: bereits nach der Hälfte der eingeräumten Zeit, nach etwa 12 ½ Minuten, war der Kern der Anforderung herausgearbeitet. Über Lösungen musste zu diesem Zeitpunkt noch nicht nachgedacht werden, einen ersten Machbarkeits-Check überstanden die Flipcharts ohne Probleme.

Und wir erhielten das Feedback, das wir eigentlich immer hören – nur dieses Mal mit noch höherem Wert.

Eine studierte Kommunikationsdesignerin arbeitet als UX-Entwicklerin in Berlin. In der Auswertungsrunde sagte Sie, das Szenario sei

„… sooo realistisch – mein Tech-Lead kommuniziert mit mir genau so wie Emil in dem Brief“

Nachdem wir unsere Session etwas nach der Zeit abgeschlossen haben, reflektierten Conrad, Sina und ich noch ein wenig über unsere Gruppen und das Erlebte. In Conrads Gruppe geschah, was wir auch sehr häufig erleben und weshalb es diesen Workshop gibt. Eine Teilnehmerin war auf der richtigen Spur, doch andere Teilnehmer mussten noch ihren Status miteinander klären.

Und überhaupt: wir beobachten bei CRUScH sehr oft strukturellen Sexismus – wahrscheinlich sogar unabsichtlich und unterbewusst. Schon mehrfach wurde ich Zeuge, wie „der Kern“ der Situation zu einem sehr frühen Zeitpunkt von Frauen erkannt und geäußert wird. Sofern das kein Gehör findet, verbrauchen die Gruppen viel Zeit und Energie im Statusgerangel der Storming-Phase (nach Tuckman).

Im Fall „meiner“ Gruppe wurde der Beitrag der Kommunikationsdesignerin gehört und von Toni aufgenommen. Dadurch wurde die Situation und auch die Struktur der Gruppe schnell aufgeklärt und der Kern einer späteren Lösung zu Tage gefördert. Wieviel Anteil habe ich selbst an solchen „Erfolgen“? Wahrscheinlich deutlich mehr als es nach der Coaching-Doktrin der „Nicht-Einmischung“ erlaubt wäre. Warum tue ich das? Weil nach meiner Erfahrung kaum jemand, der an den CRUScH-Workshops teilnimmt ein sicheres Gefühl für „richtig“ und „falsch“ hat. Meine tiefste Motivation für solche Angebote wie CRUScH ist, einen Orientierungspunkt zur Überwindung einer fortwährenden, kognitiven Dissonanz zu bieten. Menschen erleben täglich in den unterschiedlichen Kontexten Politik, Medien und „Arbeit“ eine teilweise massive Abweichung zwischen den Gegebenheiten („der Realität“), ihrer eigenen Wahrnehmung und dem Verhalten „der anderen“. Nach meiner persönlichen Überzeugung ist diese kognitive Dissonanz die Ursache der meisten unserer Probleme. Sie führt zu korrumpierender Kommunikation, die Unaufrichtigkeit in „Höflichkeit“ und „Diplomatie“ versteckt und eine Menge Energie dafür ver(sch)wendet, potemkinsche Fassaden zu errichten und aufrecht zu erhalten. Bei der mit dem CRUScH-Szenario formulierten „Gleichung mit drei Unbekannten“

x + y = z

verrate ich als Begleiter der Gruppen lediglich den Wert für „z“. Ich begebe mich damit kurzfristig in die Rolle eines PO in einem Scrum-Team und lege fest, was mit den Iterationen auf der Produkt-Ebene erreicht werden soll. Das „Wie“ überlasse ich weiterhin den Gruppen. Es verbleiben immer noch mehr als genug Gelegenheiten zum Scheitern.

Hätten die Gruppen die „Ganztages-Aufgabe“ lösen können? Wäre am Ende eine Lösung entstanden, die anhand einer Reihe ausformulierter User Stories durch eine beliebige Person auf ihr Funktionieren überprüft werden kann? Das werden wir nie erfahren. Die Gruppen werden nie wieder in ihrer damaligen Konstellation und in ihrem damaligen Erkenntnisstand zusammenkommen. Und jedes Mal, wenn sie danach wieder aufeinander treffen, müssen die Teambuilding-Phasen (nach Tuckman) neu durchlaufen werden. In der Realität des Alltags ist das jedoch einerseits ritualisiert und läuft andererseits so schnell und unbemerkt ab, dass wenigen klar ist, ab wann eine Gruppe in der Performance-Phase angekommen ist. Ich fürchte, diese Klarheit fehlt an vielen Stellen auch deshalb, weil sie „in Meetings“ überhaupt nicht erreicht wird und so manche Stunde ohne Wertschöpfung in den Tuckman-Phasen 1-3 stecken bleibt.

/Und sonst noch?

Christian Müller hat die Gelegenheit genutzt und am Sonntag sein Tonstudio aufgebaut.

Ruhe bitte – Aufnahme!

Parallel zu den Sessions konnten Interviews für den proagile-Postcast geführt werden. Conrad berichtete, das Equipment und die Durchführung seien professionell. Das will was heißen. Conrad ist vom Fach und hat „bei sich“ ein eigenes Studio, in dem er unter anderem solche Lernvideos produziert. An diesem Sonntag unterhielten sich die beiden und das Ergebnis erwarten wir nun in der Podcast-Reihe Agilität in der Praxis.

/Resümee

Das war, ganz, schön und anstrengend.

Vielleicht bin ich es nicht mehr gewohnt, vielleicht war es auch das Ambiente. Möglicherweise bin ich zu alt oder die „klassischen Themen“ haben nicht mehr die Bedeutung für mich. Vielleicht lag es auch daran, dass ich nicht wie sonst allein da war und ich mich ganz auf die Menschen einlassen konnte …

Bei keiner Session war ich so ganz bei der Sache … mit Ausnahme des Organisations-Poker.

In den offenen Räumen des SimpliOffice hingen so Form-LEDs. Sie kamen als „+“ oder „O“ daher und haben mich stark geblendet. Das lenkte mich von den Gesprächen ab, die ich an den Stellen eigentlich führen wollte.

Möglicherweise bin ich nach knapp 2 ½ Jahren „remote only“ die Präsenz und Energie von echten Menschen nicht mehr gewohnt? Zumindest haben meine Büros weniger starke Lichtquellen.

Und überhaupt „remote only“. Ein Vorteil dessen ist der Fokus auf die Themen. Zumindest ist es das in der Umgebung, in der ich derzeit tätig bin. Ich unterstütze eine Bundesbehörde beim Aufbau. Das bringt es mit sich, dass Menschen und deren Befindlichkeiten gegenüber „der Sache“ in ihrer Bedeutung zurücktreten. Und dadurch, dass die Pandemie dieses Projekt geprägt hat, wurde ohnehin eine Hauskultur geprägt, die von vielen unbemerkt einen #Medienkompetenzfilter eingezogen hat.

Die Umstände erlaubten es nicht nur, sie erforderten das Umzusetzen, was in bestehenden Strukturen unmöglich erscheint.

Jurymitglied Andreas Burren, Leiter ICT-Koordination, Digitale Verwaltung Schweiz: „Rekrutierungsgespräche virtuell durchführen, für viele unvorstellbar. […] Besonders beeindruckt, dass ein vermeintlich naheliegendes, technisch einfaches Digitalisierungsprojekt durch Empathie, Sorgfalt, Fachwissen sowie mit großem persönlichem Engagement zur Blaupause für die erfolgreiche und nachhaltige Gestaltung von kulturellen Veränderungsprozessen werden kann.“

In der ohnehin bereits sehr sachorientierten Kultur einer öffentlichen Verwaltung hebt die Arbeit auf Distanz den Arbeitsinhalt noch einmal deutlicher hervor. Der Umgang mit digitalen Daten wird noch einmal wichtiger als der elektronische Transport digitalisierter Daten.

Ganz im Sinne von ‚unFIX‘ wurde weder strikt auf Kanban noch auf Scrum gesetzt. Den Beteiligten war es auch egal, ob das Vorgehen agil war. Es gab Arbeit, die musste getan werden und die digitalen Arbeitsmittel bieten Möglichkeiten es anders zu tun als vom Umgang mit dem physischen Datenträger Papier gewohnt. Hin und wieder gibt es dann amüsante Irritationen. Jüngst fragte jemand, ob es gestattet sei, den Bürger um eine Kommunikation per E-Mail zu bitten.

So mancher ist bei einer solchen Frage versucht, in ein „ja/nein“-Muster („K0“) zu verfallen. Wieder andere sind bei einer solchen Frage geneigt, nach einem schwungvollen „es kommt drauf an“ über die Formerfordernisse im deutschen Rechtssystem zu referieren. Gitta nannte so etwas das Verhalten eines Fachidioten auf der Komplexitätsmanagement-Stufe K1.

In meinem Behördenalltag geht es zwar langsam, jedoch werden die unterschiedlichen Aspekte in ihren Dimensionen ausgeleuchtet und der Komplexität entsprechend behandelt. Ich schätze mal, die Gesamtorganisation operiert derzeit irgendwo zwischen K2 und K3. Das hält uns natürlich nicht davon ab, auf die Frage nach der E-Mail-Kommunikation ein schnippisches „was spricht dagegen?“ entgegen zu setzen.

Komplexität ist wichtig. Sie darf nicht zerstört werden.

Komplexität kann durch Entscheidungen reduziert werden. Das ist die Aufgabe der so genannten Leitungsebene innerhalb der Organisationsstrukturen einer öffentlichen Verwaltung. Durch die so genannten „Festlegungen“ aus gesetzliche Anforderungen, tradiertem Vorgehen und den Betrachtungsperspektiven im Angesicht „der Sache“ werden aus der Vielzahl der möglichen Dimensionen die relevanten durch Entscheidungen festgelegt. Die Differenzierungen erfolgen dann anhand der Einordnungen der Sache.

Das heißt dann ganz konkret: es wird nur ein Mal entschieden und danach angewandt.

Es gibt beispielsweise eine Festlegung darüber, wie ein IT-Arbeitsplatz im Kern aussieht und wie er je nach Dienstposten anzupassen ist. In einer Dienstpostenbezeichnung ist sowohl das fachliche Heimatreferat (unFIX: „Base“) kodiert als auch die so genannte Laufbahnbezeichnung und damit die Berechtigungsebene für Zugriffe im Dateisystem.

Der Algorithmus bestimmt nun die einzigartige Ausgestaltung dieses IT-Arbeitsplatzes ohne dass irgendeine Rückfrage erforderlich wird oder eine persönliche Entscheidung abgewartet werden muss. Wenn die Einrichtungsaufgabe ansteht, ist alles durch die Schaffung der Stelle, deren Tätigkeitsbeschreibung, deren Bewertung, die Auswahlgespräche, die Zusagen und die Unterzeichnung des Arbeitsvertrages bereits festgelegt und so manche, daraus entstehende Aktivität ist deshalb bereits automatisiert, weil keine Entscheidungen mehr zu treffen sind.

Das geht auch anders. Jemand könnte auch entscheiden, dass weder Dimensionen noch Differenzierung wichtig sind:

„Mit Telefonen ist es wie mit Autos. Es gibt sie in allen Farben, solange es schwarz ist.“ Click To Tweet

So wird Komplexität zerstört.

Wenn wir nicht mehr aufgeschlossen miteinander, sondern lediglich 1-dimensional in K0 oder K1 miteinander umgehen, behandeln wir einander wie Maschinen, weil wir uns als Menschen vermeintlich zu anstrengend sind. Und dadurch verlieren wir, was uns als Menschen ausmacht.

Und auf der anderen Seite verlieren wir gegenüber den Maschinen, die 1-Dimensionales so viel schneller, fehlerfrei, ausdauernder, länger, kostengünstiger und damit insgesamt besser können als Menschen, die miteinander interagieren.

Unsere jeweiligen Stärken liegen auf anderen Gebieten und immer noch fällt es sehr vielen schwer, das jeweils beste zu erkennen und miteinander in Wirkung zu bringen.

Oder, wie ich als Ergebnis für die Ethik-Hausaufgabe „Erkläre den Begriff Mensch möglichst genau“ nach einigen Erkenntnis-Schleifen meiner Tochter anbot:

Was unterscheidet Menschen von allen anderen Lebensformen? „Der Mensch kann über Zukunft sprechen und sein Handeln danach anpassen.“ schon bald auf

Manchmal dauert es, bis die Zukunft eintrifft. Am Abend nach dem Veranstaltungsende erhielt ich eine Mail von leanpub. Dort wurde entschieden, ‚The Art of Collaboration‘ in ein Bundle aufzunehmen, das sie ‚The New Agile Manager‘ nannten.

One response to “agiLEipzig Barcamp 2022”

  1. […] dem Abend schlug ich – auch unter dem Einfluss von Lukas Schmidt (/Slot 2: metrics & measures) und Tobias Leisgang – vor, regelmäßige und transparente Bewertungen der Optionen […]

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